Mittwoch, 19. Januar 2011

„Your mind is the scene of the crime“ - Subheadline of Inception

Ich habe mir schon eine Weile Gedanken über Christopher Nolans Film "Inception" gemacht.
Diesen hatte ich ein einziges Mal gesehen, als ich im Urlaub in Irland war, dort sahen wir den Film in Originalvertonung. Damals dachte ich noch: "Toller Actionfilm, aber irgendwie nicht so tiefsinnig wie ich es mir von Nolan erhofft hätte."

Als großer Fan seiner Werke "Insomnia", "Memento", "Batman Begins" und "The Dark Knight" und gleichzeitig als großer Fan der Psychologie, war ich enttäuscht wie oberflächlich der Film doch ist. Alle vorherigen Nolan-Filme waren psychologisch motiviert:

- In Insomnia war der Protagonist schlafgestört.
- In Memento war der Protagonist Kurzzeitgedächtnis-gestört, wegen der Vergewaltigung seiner Frau, bei der er anwesend war.
- In Batman ging es darum trotz seiner Angststörung (die er hatte, weil er als Kind in die Batcave gefallen ist) Unglaubliches leisten zu müssen.

Als ich dann die ersten Interpretationen las, die vermuteten "Inception" sei ein Film übers Filmemachen, war ich schon überzeugt, dass Nolan viel mehr aussagen wollte als ich es mir erst dachte. Vor ein paar Tagen, als ein paar meiner Freunde und ich auf Youtube Intros von Kinderserien anschauten, kamen wir zu einer Serie die extrem patriotische Ideale vertrat. Da dachte ich mir:

"Eine Schande einem Kind diese Ideologie (Idee) einzupflanzen... In seinem Erwachsenenalter wird er sich patriotisch verhalten und mit Sicherheit beeinflusst den Erwachsenen unbewusst diese Serie aus seiner Kindheit. Was für ein ekelhafter, psychologischer Trick.."

Und es machte "Klack"... den selben Prozess nutzte das Team in "Inception" um "Robert Fisher" zu manipulieren und seine Firma zu zerschlagen. Es war auf einmal alles logisch. "Inception" ist Nolans letzter Psycho Film und schliesst das psychologische Thema, die Störungen der Menschen, endgültig ab. Mit einer bombastischen, effektreichen Heilung. Viele (fast alle) psychischen Störungen haben ihren Ursprung in der Kindheit und diese Erfahrungen werden tief im Unterbewusstsein (dream in a dream in a dream) gespeichert. Von dort aus bringen sie den Erkrankten erst zum leiden.

In diesem Zusammenhang erwähne ich "Shutter Island", ebenfalls mit Leonardo DiCaprio. Hier geht es exakt um das selbe Thema:

-Ein riesiges psychologisches Rollenspiel, mit dem Anliegen den Patienten von seiner Störung zu befreien.

Und nichts anderes ist "Inception". Eine einzige Metapher über eine geglückte behavioristische Therapiephase mit mehreren Spezialisten auf den verschiedenen Gebieten der Psychotherapie.

-Robert Michael Fisher Jr.: Der Patient. Er leidet wahrscheinlich an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Er hat immer das Gefühl nicht vollkommen zu sein. Er hat in seinem Unterbewusstsein gespeichert, dass sein Vater ihn nie für vollwertig hielt. Der Vater war immer "enttäuscht" (I am disappoint... X_x) über die Leistungen seines Sohnes, was Fishers Störung nur noch mehr verstärkte. Er kann so kein normales Leben führen sondern meint immer nie zu "genügen". Er mag zwar in seinem Beruf sehr erfolgreich sein, glücklich ist er aber nicht. Wie narzisstisch Gestörte es eben sind.

-Mr. Saito: Des Patienten Krankenkasse. Er finanziert die Unternehmung. Er möchte auch sehen was in tieferen Bewusstseinsebenen vor sich geht, aber nur als Kontrolfunktion, wie eine Krankenkasse in solchen Fällen eben auch. Sie möchte wissen: "Wie geht es dem Patienten? Und auch wenn ich viel Geld zahlen (bluten) muss: Gibt es eine Aussicht auf Genesung?". Er testet ja auch am Anfang des Films, ob die Behandlungsmethode wirklich erfolgsversprechend ist. Auch ist es klar warum die Krankenkasse die Genesung will und der Patient seine narzisstischen Muster ablegen soll (Firma zerschlagen, weniger erfolgreich sein etc.): Weil diese Verhaltensmuster auf lange Sicht auch die physische Gesundheit des Patienten beeinträchtigen können oder werden. Ob Mr. Saito nun die Krankenkasse ist oder ein anderer Geldgeber/Organisator des Ganzen sind für mich nur Detailfragen.

-Dom Cobb: Der Psychoanalyst. Er kann perfekt analysieren, für ein behavioristisches Konstrukt ist er aber zu sehr belastet mit eigenen Problemen. Er fühlt sich verantwortlich für den Tod seiner Frau. Durch exzessive Drogentrips (LSD, Meskalin, etc.) hat er sie so beeinflusst, dass sie ihr Unterbewusstsein als real ansah und anfing die Realität grundsätzlich in Frage zu stellen (Timothy Leary beschritt ähnliche Pfade, war sich aber der Gefahr bewusst, welchen Einfluss Psychodrogen auf labile Menschen haben). Um den Auftrag der vollkommenen Gesundung seines Patienten zu garantieren braucht Cobb deshalb:

-Ariadne: Die talentierte Behavioristin. Sie schafft es perfekte, psychologische Rollenspiele zu erschaffen. Diese dürfen aber nicht aus eigenen Erlebnissen/Erinnerungen gebaut werden, sondern müssen individuell an den Patienten angepasst werden. Das macht Behaviorismus so schwer. Es gibt eben keine allumfassende Lösung bei psychischen Störungen, man kann nicht unbedingt sagen: "Das hat bei mir geholfen, also hilft es auch bei dir."
Ariadne ist ausserdem der Name einer griechischen Mythologie-Prinzessin ( http://de.wikipedia.org/wiki/Ariadne ). Sie half dem Helden Theseus (der Patient) den Minotaurus (die Störung des Patienten) zu besiegen, indem sie ihm ein Schwert (eine Verhaltensform) und einen Faden (die Gabe reflektieren zu können) gab, um den Minotaurus (die Störung) zu bezwingen und (geheilt) aus dem Labyrinth (dem Unterbewusstsein des Menschen, das oft ein Irrgarten zu sein scheint) emporzusteigen.

-Arthur: Der unterstützende Sozialpädagoge. Er ist der Mann fürs Grobe... derjenige der den Patienten auch mal hart anfassen muss, ihn vielleicht sogar ans Bett fesseln muss um den Patienten vor sich selbst zu schützen. Er geht aber nie in tiefere Bewusstseinsebenen, das bleibt den wahren Ärzten vorbehalten. Er muss aber dennoch an die höheren Psychologen Statusinformationen abliefern.

-Yusuf: Der Apotheker. Viele moderne Therapien nutzen Psychopharmaka/Drogen. Sie helfen dem Patienten zu reflektieren. Auch THC eröffnet einem diese Möglichkeiten... es schwächt den psychischen Schutzmechanismus um bestimmte Verhaltensmuster zu überdenken, und somit zu reflektieren. (Quelle Wikipedia zu Timothy Leary: "Timothy Leary sah psychedelische Drogen als Mittel zur Neu-Programmierung des Gehirns, d.h. (in seiner Terminologie) der Aufhebung vorhandener Prägungen und der gleichzeitigen Öffnung für neue Prägungen.")

-Eames: Der Schauspieler. Da der Vater von Robert schon verstorben ist, muss eine andere Vaterfigur im Leben von Robert herhalten um ihn beeinflussen zu können. Deswegen muss Eames antreten, der Meister darin ist eine andere Rolle in diesem gigantischen Rollenspiel einzunehmen.

Die Heilung von Robert ist ziemlich simpel zu erläutern. Man dringt so weit in sein Unterbewusstsein ein, um ihm mitteilen zu können: "Dein Vater hat dich sehr geliebt, er hat ein Windrad von dir an seinem Sterbebett aufbewahrt und er war nur enttäuscht, dass du ihm nachgeeifert bist und nichts Eigenes kreiert hast." Durch diese Änderung des Blickwinkels kann Robert loslassen. Er versteht, dass sein Vater einfach nur unfähig war Robert Gefühle zu zeigen und das nichts mit Roberts Schaffen zu tun hat.

Nun bleibt nur zu klären, was Cobbs persönliche Geschichte mit dem Ganzen zu tun hat. Psychologen sind auch nur Menschen. Auch sie haben eventuell Erinnerungen/Erlebnisse die Störungen hervorrufen können und Gegenstände, die diese Erinnerungen hervorrufen. Erst Erinnerungen machen das Leben wirklich real. Könnten die Menschen nicht aus Erinnerungen schöpfen, hätten sie keine Realität (siehe "Memento": Der Protagonist braucht Erinnerungen in Form von Tätowierungen). Rufen Erinnerungen aber Störungen hervor (Verlustängste, Existenzängste, Paranoia, Depression etc.) machen sie dem Besitzer das Leben zur Hölle und dieser Mensch ist unfähig sein Leben normal zu führen (Arbeit, Soziales Netz, Ausgeglichenheit etc.). Cobb muss mit dem Selbstmord seiner Frau kämpfen, der Kreisel erinnert ihn ständig an sie. Es belastet ihn so sehr, dass er seine Arbeit nicht alleine fortführen kann. Das Bezeichnende an einer Störung ist: Man denkt man braucht sie um überhaupt existieren zu können. Um in einer Therapiesitzung nicht die Meinung oder das Verhalten des Patienten anzunehmen, oder zu teilen oder ihn gar negativ zu beeinflussen, braucht er ein Totem, dass ihn immer daran erinnert, dass er sich in dem Rollenspiel des Patienten befindet und der Patient gestört ist, nicht der Arzt/Psychologe. Auch die Beziehung zu Cobbs Kindern wird durch den Verlust der Mutter extrem schwierig, weil sie ihn immer an die Frau erinnern, die er verloren hat. Eventuell hindern ihn die Kinder auch an der Rückkehr nachhause.
Die Frage, die sich am Ende des Films jeder Zuschauer stellt: "Dreht sich der Kreisel oder fällt er um?" stellt sich also überhaupt nicht.
Die Frage ist eher: "Dreht der Kreisel sich und schenkt Cobb seiner toten Frau immernoch mehr Aufmerksamkeit als seiner Realität/seinen Kindern? Oder hat er die Tragödie überwunden und kann sich seinem Leben und seinen Kindern zuwenden und seine Vergangenheit aus der Erziehung heraushalten?"
Und ja, er kann... Durch die tiefenpsychologische Erfahrung, die er machte, als er Robert Fishers Störung bearbeitete, ist es ihm möglich seine "Störungen"/"Erinnerungen" hinter sich zu lassen, sie zu reflektieren und zu bearbeiten und die Tragödie endlich abschliessen.

-Er lässt den Kreisel kreiseln und widmet sich lieber seinen Kindern.

Das ist die Lösung von Inception: Alle gestörten Individuen sind geheilt. Sie können ihr normales Leben weiterführen. Und das sagt auch Christopher Nolan hier:

Frage: Dreht sich der Kreisel am Ende weiter oder nicht?
Nolan: Viel wichtiger ist, dass Cobb gar nicht mehr auf den Kreisel achtet. Es kümmert ihn nicht mehr.
Quelle: http://www.filmstarts.de/nachrichten/18470098.html


Die Unterüberschrift von "Inception" lautet "Your Mind Is The Scene Of The Crime". Das würde ich auch noch gerne interpretieren. Ein Mensch der sich nicht mit seinen Problemen befasst, wird immer Fehler begehen und somit ein "metaphorisches" Verbrechen. Nehmen wir an eine Mutter mit Kindern leidet an großen Depressionen/Drogensucht oder ähnlichem. Die Mutter begeht jeden Tag ein Verbrechen, weil sie sich nicht um ihre Störung kümmert. Sie riskiert die Vernachlässigung ihrer Kinder.

Narzisstisch gestörte Menschen sind das Schlimmste, was ihrer sozialen Umwelt passieren kann. Kümmern sie sich nicht um ihre Störung belasten sie das Leben ihrer Mitmenschen. Ein Verbrechen.

Und wo haben alle Verbrechen ihren Ursprung? In den Köpfen des Verbrechers.


Die Action in "Inception" wurde von vielen Zeitungen negativ bewertet... als sinnloses Geballer, das überhaupt keine Beziehung zur eigentlichen Geschichte hat. Das ist aber falsch und muss notgedrungen auch so sein. Ein narzisstisch gestörter oder gerichteter Mensch steht auf so einen Bullshit. "Transformers" oder "300" ist für mich der Inbegriff eines Narzisstenfilms. Die Handlung ist oberflächlich, 0 Tiefgang, aber viel Titten, Helden, Action und Gewalt. Das sind Träume von Narzissten, so würden Narzissten gerne sein: Helden, Kämpfer, Krieger und immer hübsche Frauen an der Seite. Amokläufer sind, zum Beispiel, meistens narzisstisch gestörte Menschen. Deswegen muss sich das psychologische Team von Inception auch auf diese Ebene hinabbegeben... An dieser Stelle muss ich den gewöhnlichen Narzissten, also nicht den gestörten, aber in Schutz nehmen. Ohne Narzissten wären die Menschen wahrscheinlich schon lange ausgestorben und wir verdanken dieser Persönlichkeitsform sehr viel. Je reflektierter ein Narzisst, desto wertvoller ist er für die Gesellschaft.

Und weiterhin ist es auch ein Abschluss von Christopher Nolans bisherigem Werk. Er zeigt auf, wie tief man in das Bewusstsein eines kranken Geistes eindringen muss, um einen Menschen von seiner Störung zu befreien. Und nachdem er seine innersten Ängste/Triebe unter Kontrolle hat, bestimmen kann wohin man gehen will, ist er geheilt.
Es ist eine metaphorische Antwort auf die Fragen die die vorherigen Filme aufgewirbelt hatten:

- Was mache ich bei einer Angst vor Fledermäusen?
- Was mache ich wenn ich an Schlaflosigkeit leide?
- Was mache ich wenn ich mein Kurzzeitgedächtnis verloren ist durch ein traumatisches Erlebnis?

Die Antwort durch Inception: Ein perfektes psychologisches Schauspiel, mit einem kompetenten Team an Ärzten verschiedenster Richtungen, die richtigen Psychopharmaka/Drogen und Zeit. Mit diesem Ende ist der Film somit auch ein Finale für sein bisheriges Filmwerk. Ab jetzt könnte Nolan Filme machen die andere Themen behandeln.

1 Kommentar:

  1. Mit dieser "Erklärung" ergibt der Film gar keinen Sinn. Warum wird nie erwähnt dass Cobb ein Psychologe ist. Warum sollte sich Fisher von so jemandem behandlen lassen? Warum will Saito dass Fisher geheilt wird? Gibt es jetzt Träume im Traum oder ist das nur ein Sinnbild für eine Therapie? Warum behandeln so viele Leute Fisher - vor allem da er doch nicht gerade gemeingefährlich und extrem gestört ist?

    Das die Frage ob sich der Kreisel am Ende noch dreht oder aufhört stützt deine Theorie nicht im Geringsten.

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